Der Modellbau und ich:

Meine Modellbaukarriere begann 1983, im zarten Alter von neun Jahren, als mein Vater anfing, mit ferngesteuerten Autos zu spielen (ein Nissan Fairlady Buggy). Nachdem ich meine Eltern lange genug bearbeitet hatte, gesellte sich dem bald mein Wild Willy hinzu (der immer noch existiert, wenn auch mehr tot als lebendig). Da mich auch die ferngesteuerten Schiffe sehr begeisterten, kam später der Bausatz eines hübschen, altmodischen Hafenschleppers dazu. Allerdings hatte mein Vater nicht die nötige Geduld und der Lausbub, der ich war, war mit der Aufgabe überfordert, und so verschwand das gute Stück halbfertig im Keller und ich wandte mich vorerst einfacheren Zielen zu. Über die nächsten zwei Jahrzehnte verließen etwa 200 Plastikmodelle meine Werkstatt, Schiffe, Autos, Lastwagen, Motorräder, Flugzeuge und überhaupt (fast) alles Mögliche.

Inzwischen verschlang der Bücherwurm in mir alles, was ich über Schiffe und Flugzeuge in die Finger bekommen konnte. Ich war fasziniert von den Pionieren der Technik, von Flugzeugen, die noch in kleinen Schreinereien gebaut wurden, und von den Schiffen der Viktorianischen Ära, die so erfrischend anders waren als die wohlbekannten klassischen Segelschiffe und die voll entwickelten Dampfschiffe.

Um die Jahrtausendwende brachte Revell eine Wiederauflage des alten Matchbox Bausatzes der Flower Class Korvette in 1/72 heraus. Dieses Modell verlangte lautstark nach einer Fernsteuerung und ich erinnerte mich an meinen alten Enthusiasmus für RC-Schiffe. Einen Motor samt Welle und Propeller einzubauen war kein Problem, schwieriger war es schon, einen Teil des Decks abnehmbar zu lassen, um später an die Innereien heranzukommen. Da ich den Motor nach Gutdünken ohne jegliche Erfahrung ausgesucht hatte, ging das Teil los wie ein Rennboot. Nicht vorbildgetreu, aber sehr spaßig, und schließlich kann man ja dank Fahrtenregler langsam fahren. Problematisch war eher, dass die Vibrationen in dem harten, leeren Plastikrumpf einen Höllenlärm veranstalteten. Jedenfalls war der alte Enthusiasmus wieder da und ich begann, über selbstgebaute Modelle nach Plan, oder auch ohne, nachzudenken.

Als ich ein paar Jahre in Neuseeland lebte, stolperte ich über ein Vorbild, das ein großartiges Projekt für den Anfang abgeben sollte: einen motorisierten bayerischen Flusskahn, Baujahr 1913. Der Rumpf war eher kasten- als schiffsförmig und sollte daher einfach zu bauen sein (war er dann auch). Nicht schön im Sinne von elegant, aber umso charmanter.

Was diese Bauerfahrung besonders erfrischend machte, war die Tatsache, dass meine Quelle nur aus zwei Bildern eines Modells bestand, die ich Jahre zuvor im Deutschen Museum in München gemacht hatte. Ich entschied mich dagegen, mehr Quellen auszugraben, um das Original so exakt wie möglich wiederzugeben, sondern peilte die fehlenden Maße über den Daumen, gründete die „Rosenheimer Inn-Schiffahrtsgesellschaft“ und gab dem Schiffchen seinen eigenen Namen: Baetis.

Die Gentlemen der Otago Model Engineers Society standen mir dabei mit Rat und Tat zur Seite und ich konnte so einige Fertigkeiten aufschnappen, so dass das nächste Projekt etwas ehrgeiziger wurde. Charles Parsons Turbinia war Liebe auf den ersten Blick. Ich war nicht im Bilde, dass es einen Plan dafür gab, und so begann ich wieder, nach ein paar Bildern zu arbeiten. Mittlerweile wurden weitere Pläne veröffentlicht und im Internet finden sich haufenweise gute Bilder vom liebevoll restaurierten Original. Bis dahin war mein Bau aber schon so weit fortgeschritten, dass ich Substantielles hätte ändern müssen, um vorbildgetreu zu werden.  Es stellte sich heraus, dass mein selbst konstruierter Rumpf sehr stabil im Wasser lag, selbst bei Geschwindigkeiten, die weit über die vorbildgetreue hinausgingen. Wieder ein spaßiger Hingucker.

Das freie, kreative Arbeiten nach spärlichen oder widersprüchlichen Quellen hat mich gefangen. So stehen all die seltsamen, exotischen und bizarren Vorbilder zur Verfügung, die es als Modell wohl nie bis zum See schaffen würden, wenn man auf zuverlässige Quellen warten würde.

An diesem Punkt fielen mir die alten Spielzeugschiffe wieder ein, für die ich schon lange ein Faible hatte. Nicht vorbildgetreu, sondern im Detail vereinfacht, die Linien überzogen, karikaturesk möchte man sagen. Ich verband die Punkte, Funktionsmodellbau und alte Spielzeugschiffe.

So wurde die Idee geboren:  Modellbau und Kunsthandwerk verbinden.

Dabei sollten aber auch keine reinen Skulpturen entstehen, sondern Modelle, die, mit Antrieb und Fernsteuerung, auf dem See ihre Funktion zeigen können. 

Meine Modelle entstehen zum größten Teil aus Holz und Messing, mittels einfacher Handwerkzeuge. Details werden bewusst vereinfacht. Man sieht, dass sie mit dem Pinsel lackiert werden. Das erinnert an die Ausstrahlung echter Schiffe dieser Zeit, als Legionen von Seeleuten damit beschäftigt waren, endlos dicke Lackschichten aufzutragen. Inspiriert durch die Blechspielzeuge und Werftmodelle der Viktorianischen Ära erstrahlen Messingdetails wie Propeller, Relings, Anker, Winden, Bullaugen usw. blank, und die Farbgestaltung fällt eher fröhlich als realistisch aus.

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